#1 Prolog - ein Selbstgespräch




„Das gibt’s echt nicht, Kiel ist so ein Kaff! Gott, wie schön war das am Anfang. Überall, wo man hingekommen ist, war man neu, man kannte niemanden, musste nicht ständig hallo hier und wie geht’s dir da sagen und ist einfach auf einen Samstagabend ohne, dass es viel Selbstbewusstsein gebraucht hätte, in Jogger und mit völlig verfetteten Haaren um drei Minuten vor neun Uhr in den Sky gestolpert, um eine Flasche Wein und Chips zu kaufen. Und eine TK-Pizza - falls sie im Angebot war. Inzwischen sind es die immer gleichen Gesichter. Die immer. Gleichen. Gesichter. Ich krieg die Krise, ich muss mal wieder frische Luft schnappen, ich muss raus hier!
Okay, alright, wo wolltest du schon immer mal hin. Alaska! Joa, kann man schon machen, ist aber halt echt abgeschieden und kalt und wenn man es ungeschickt anstellt und die falschen Beeren isst, stirbt man langsam und kläglich in einem ausgedienten Bus. Es stellt sich ja auch die Frage, wie man das bezahlt und damit ja dann auch, was man eigentlich kann, womit man den ganzen Spaß finanzieren könnte. Fast vier Jahre Bachelor hast du hinter dir und was kannst du? Geil, du kannst nichts. Irgendwas mit Lehre und Unterricht vielleicht. In Alaska sehe ich dir das jetzt aber auch nicht groß weiterhelfen. 
Hast du nicht mal gelesen, dass sie in Grönland dringend Lehrkräfte suchen. Nach Grönland wolltest du doch schon lange mal! Gut, Grönland also. Schreib mal dem Bildungsministerium, vielleicht haben die eine Idee.*


--- Zeitsprung ---


Gut, die Grönlandidee musst du wohl auf Eis legen. Ganz ehrlich, was hast du dir denn da auch wieder bei gedacht. Ja nichts halt, wie immer. Die Agentur Kulturist war damals für den Au-Pair Aufenthalt in Norwegen ziemlich klasse - haben die nicht auch so Sprachtutorprogramme im Angebot? Los, check das mal fix. Peru? Krass, ist das teuer! Italien? Zu viel Mama Mia! Frankreich? Deutsch ein Frankreich hat ja schon einmal richtig gut geklappt. Nice, Ecuador! Ah ne, drei Monate sind dir zu wenig. Mexiko? Lass mal. Spanien? Ja geeeenau! Türkei? Auch wieder nur drei Monate. Mongolei? Über das Land weißt du so wenig, dass du nicht mal Vorurteile hast. Klingt gut, mach das!“



*Ich habe wirklich eine ganze Weile mit dem grönländischen Bildungsministerium geschrieben, richtig weiterhelfen konnte man mir da aber leider nicht und die Schulen, die ich direkt angeschrieben habe, haben mir nie geantwortet. Wer weiß, wie häufig man dort seine E-Mails checkt...

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