Roadtrip #4

Dienstag, 21. Mai 2019 

Bis auch der letzte von uns nicht mehr nur existiert, sondern (fast) lebendig aussieht und aus dem Zelt gekrochen kommt, ist es schon fast zehn Uhr und die Sonne steht hoch über dem Khuvsgul See. Zur Abwechslung lassen wir die Motorräder heute mal stehen und sparen uns damit auch das große Packen am Morgen. Wir kochen in aller Ruhe Kaffee und einen riesigen Topf Porridge, sitzen gemütlich in der Sonne und frühstücken. Erste Messungen der Wassertemperatur ergeben, dass es scheinbar keinen Unterschied machen würde, ob man ein Eisbad nimmt oder im See schwimmen geht und wir entschließen uns, die Sache am Nachmittag anzugehen.



Nachdem unsre Essensvorräte schon wieder zur Neige gehen, fahren Manfred und Luki noch einmal nach Khatgal zum Einkaufen. Melle und ich bleiben auf der Beton(halb)insel, räumen das Camp etwas auf, loten dann den besten Winkel aus und setzen uns in die Sonne. Unser Hoffnung ist, dass uns bis die Jungs zurück sind so warm ist, dass wir freudig in den See springen. So warm die Sonne auch ist, die Luft ist es einfach noch nicht und so geht unser Plan nicht wirklich auf. Seit Samstag haben wir keine Dusche mehr gesehen und man ist sich einig, dass es nicht schaden wird mal ein bisschen Wasser und Seife (biologisch abbaubar, versteht sich wohl von selbst) an den Körper zu lassen. Davon abgesehen: Am Khuvsgul See gewesen und nicht geschwommen zu sein ist schlichtweg keine Option und so startet nachmittags das Badevergnügen. Melle macht den Anfang, läuft ins Wasser rein als hätte es kuschelige 40 Grad, schwimmt eine Runde und kommt entspannt wieder an Land gewatet. Luki hat sich in den Kopf gesetzt die Eisscholle in der Nachbarschaft als nächstes zu seiner Liste von Orten, an denen er einen Slav Squat gemacht hat, hinzuzufügen und wagt sich, dicht gefolgt von Manfred, als nächster ins Wasser. Die beiden turnen eine Weile auf der Eisscholle in der Nachbarschaft rum, schmeißen sich mehr in Pose als Melle und ich zusammen und feiern sich selbst am meisten. Ich stehe am Rand, friere beim bloßen Anblick, dokumentiere das Spektakel mit der Kamera und ärgere mich, dass die Bilder das Gequietsche der Männer nicht festhalten. Als vierte und letzte gehe ich dann ins Wasser, schwimme eine Runde zur großen Eisscholle und muss enttäuscht feststellen, dass sie nicht mehr dick genug ist, um darauf zu stehen. Also statte ich der Scholle in der Beton(halb)inselnachbarschaft noch einen Besuch ab und klettere dann nur halb erfroren zurück an Land. Bis ich wieder aufgetaut bin, vergeht einige Zeit, selten in meinem Leben habe ich mich aber wohl dermaßen erfrischt und lebendig gefühlt. An Land gibt es ein High-Five und ein triumphierendes HA von Melle - wir waren schwimmen, die Jungs nicht!



Am Nachmittag, als alle wieder aufgetaut und angezogen sind, entschließen wir uns doch noch ein bisschen wandern zu gehen und erklären den höchsten sichtbaren Berg als Ziel. Aus purer Sorge, dass wir uns am Ende vielleicht doch etwas zu lang bewegen könnten, fahren wir mit Jacky, Jimmy und Feli so nah ans Ziel wie irgendwie möglich und machen uns dann an den Aufstieg. Genau wie unser Camp liegt der Berg am Nachmittag in der Sonne, im Gegensatz zur Beton(halb)insel ist das kalte Wasser aber eine gute Ecke entfernt und bringt hier keine Abkühlung. Wir sind allesamt viel zu warm für unsre Wanderung angezogen und bis wir auf dem Gipfel angekommen sind, sind alle schon wieder bereit für eine Dusche. Für den Ausblick lohnt sich der Schweiß aber alle mal und so sitzen wir gemeinsam und schweigend am Hang, genießen unsre Brotzeit, hören schon wieder Wanda und lassen den Blick über den Khuvsgul See schweifen. Auf dem Weg zurück zum Camp begegnet uns eine Herde Yaks, die sich genüsslich im Dreck suhlt und dabei immer ein Stück den Berg hinunterrutscht. Wir sind hingerissen, gucken uns das ganze ein Weile an, lachen sehr und folgen dann den unzähligen kleinen Bächen weiter bergab. Manfred findet den Baumstumpf wieder, der es ihm auf dem Hinweg schon angetan hat, und entschließt sich ihn mitzunehmen. Was genau er damit vorhat wissen wir anderen nicht, aber er sieht so glücklich mit seinem Fund aus, dass wir ihn einfach machen lassen. Solange wir das Ding nicht schleppen müssen, ist alles tutti. Auf der Wiese unterhalb des Berges treffen wir noch ein paar weitere Yaks, probieren uns mit ihnen anzufreunden, sehen dann aber ein, dass wir wohl nicht cool genug sind und stapfen weiter über die unter Wasser stehende Wiese zu unsren Motorrädern, die wir vor einem alten und äußerst rostigen Hoftor geparkt haben. James und ich sind uns in Sachen Umgang mit der Kupplung einmal mehr nicht ganz einig und nach einer kurzen Diskussion knutscht James das Hoftor. Meine erste Wahl wäre es nicht gewesen, aber hey, freie Liebe für alle!

Die Christen hängen Glitzerkugeln in Bäume, die Buddhisten Tierschädel. Ist eh fast das gleiche!

Aussicht vom Gipfel auf die Südspitze des Khuvsgul Sees

 

Die Reisegruppe




Annäherungsversuch


Zurück auf unserer Beton(halb)insel probiert Manfred dem Baumstumpf mit unsrer Axt zu Leibe zu rücken, beschließt dann aber doch den Geräuschen der Motorsäge zu folgen, die immer wieder aus der Nachbarschaft zu hören sind. Mit dem Baumstumpf unter dem Arm zieht er also von dannen, während wir anderen drei auf der Insel bleiben, die letzten Sonnenstrahlen genießen und im Nichtstun brillieren. Wenig später kommt Manfred zurück, hat jede Menge Kleinholz anstelle des Baumstumpfs unterm Arm und drei Mongolen im Schlepptau. Die drei Gäste stellen sich kurz vor, machen es sich neben unsrer Lagerfeuerstelle bequem und zerkleinern dann eh schon kleine Holzscheite mit einer riesigen Axt in noch kleinere. Wir sind etwas perplex, freuen uns aber natürlich trotzdem über die Hilfsbereitschaft und sind obendrein schwer beeindruckt, dass bei diesem absurden Größenverhältnis von Holz zu Axt niemandem auch nur ein Finger fehlt. Ein paar Minuten später brennt ein hoch professionelles Lagerfeuer und Mongolen, Österreicher und Deutsche sitzen zusammen darum herum. Die Reisegruppe bedankt sich klassisch Mongolisch mit Bier und Wodka, dann machen sich die drei Holzarbeiter auf den Weg zurück nach Khatgal. Während wir am Nachmittag wandern waren, ist ordentlich Wind aufgekommen und eine schnelle Bestandsaufnahme bei unserer Rückkehr hat ergeben, dass einer von Melles Socken fehlt und nun am Grund des Sees liegt. Kurzerhand beschließt Melle, dass jetzt, wo die Sonne schon hinter den Bergen verschwunden ist und die Beton(halb)insel im Schatten liegt, der richtige Zeitpunkt ist, um nach verlorenen Socken zu tauchen.



Wenig später sind dann auch unsre neuen mongolischen Freunde zurück und haben Bier und Wodka mitgebracht. Die Vergangenheit hat uns gelehrt, dass Wodka auf nüchternen Magen eine der weniger guten Herangehensweisen an einen Abend ist und so beäugen wir mit leichter Besorgnis die Kombination aus Mongolen und Wodka und beeilen uns dann mit dem Kochen - immerhin war unsre Brotzeit bei der Wanderung am Nachmittag das letzte, was wir gegessen haben und ist schon wieder ein ganzes Stück her. Den Rest des Abends sitzen wir zu siebt am Feuer, schaffen es mit Händen, Füßen und ein paar Brocken Mongolisch und Englisch so etwas wie eine Konversation zu Stande zu bringen und vernichten sämtliche Alkoholvorräte.







Die Gang

Bevor die drei Männer wieder zurück nach Khatgal fahren, erklären sie uns noch, dass sie morgen früh zurück sein werden, um uns Frühstück zu machen - zumindest ist es das, was Melle und ich in das wilde Gestikuliere hineininterpretieren. Zu viert sitzen wir noch eine Weile am Lagerfeuer, lachen gemeinsam über den Abend und verziehen uns dann in die Zelte.

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